Samstag, 27. September 2008

Working on Capitol Hill

Knapp einen Monat bin ich nun schon als Praktikant in Washington beschäftigt - ein Blogeintrag darüber ist also schon längst überfällig. Wie ich schon vor einiger Zeit geschrieben habe, habe ich mich gegen die Bank of America entschieden, die in der jetzigen Finanzkrise noch ganz gut dasteht. Allerdings gibt es dann lustige Szenen bei uns wenn deren Praktikanten die Merrill-Lynch-Praktikanten auslachen und sagen: "Haha, wir haben euren Laden aufgekauft...!".


Dafür arbeite ich jetzt bei der United States Commission on International Religious Freedem (USCIRF), einer Regierungsbehörde im Herzen Washingtons. Vom Kongress 1998 gegründet ist unsere Aufgabe, diejenigen Länder zu analysieren und überwachen, die das Recht auf freie Religionsausübung missachten. Darauf basierend gibt die USCIRF dann Handlungsanweisungen an Präsident, Außenministerium und Kongress, wie mit diesen Ländern umgegangen werden sollte. Schon eine nette Vorstellung, dass man (wenn auch nur als kleines Rädchen im Getriebe) Forschung für die reale US-Außenpolitik betreibt.

Die Kommission an sich setzt sich aus 9 hochrangigen Mitgliedern zusammen, die direkt vom Präsidenten oder den Mehrheitsführern im Kongress ernannt werden. Ihre Biographien sind beeindruckend - Vorsitzende von Menschenrechtsorganisationen, hochrangige Juristen aus Harvard oder Unipräsidenten. Jedenfalls alle sehr große Knotenpunkte im Washingtoner Politiknetzwerk. Momentane Brennpunkte sind z.B. China, der Sudan oder Vietnam. Das Büro liegt knapp 2 Blocks nördlich vom Capitol, also noch "auf dem Hill". Im selben Gebäude sind auch einige andere hohe Behörden untergebracht, daher muss ich jeden morgen durch den obligatorischen Sicherheits-Check - wie am Flughafen. Im Büro angekommen strahlen mir dann schon die amerikanische Fahne, George W. Bush und Dick Cheney entgegen, die - wie es usus ist in Regierungsbehörden - im Eingangsbereich hängen (als Bild selbstverständlich).


Besprechung der Kommission mit Präsident Bush - Copyright USCIRF

Ich arbeite im Government Affairs Department, also in der Schnittstelle der Kommission zur Politik. Da mein Chef derzeit keinen Assistenten hat, fülle ich teilweise auch diese Stelle aus. Weil er relativ oft Meetings hat, bereite ich Infos über seine Gesprächspartner oder zu bestimmten Themenfeldern vor. Auch Nachforschungen von früheren Zwischenfällen der US-Außenpolitik gehören dazu, ebenso wie das Aktualisieren der Kontaktdaten der Ansprechpartner im Kongress. Jedenfalls ist das ganze überhaupt nicht zu vergleichen mit deutschen Beamten und den Vorurteilen, die es über sie gibt (z.B. Beamtenmikado): Washington ist ein Fast-Paced-Environment voller aufstrebender und energiegeladener Workaholics, da kann ein Tag schonmal recht stressig werden. Mein Chef (hier wird übrigens so ziemlich jeder geduzt) hat auch eine recht interessante Biographie: In den frühen 90ern war er an der Westküste als HipHop-Artist unterwegs und hing desöfteren mit Teilen der Jackass-Crew (Dave England) rum. Danach beschloss er, etwas bedeutungsvolleres zu machen, studierte und lernte fließend Chinesisch. Jetzt ist er jedenfalls auf einem steil aufsteigenden Ast in DC.

Am Mittwoch war dann das erste Highlight des Praktikums: Ein Hearing im Repräsentantenhaus über den Konflikt im Sudan und die adäquate Antwort der US-Außenpolitik darauf. Dort durften dann Botschafter und Experten der Kommission Bericht erstatten, die darauf basierend dann eine Empfehlung an den Präsidenten erstellt. Grundkonsens war, dass ein Scheitern des Comprehensive Peace Agreements, der Wahlen 2009 und des Referendums über die Teilung des Landes auch ein Scheitern aller bisheriger Friedensbemühungen bedeuten würde. Generell wurde die geringe Handlungsfähigkeit beklagt, auch militärische Optionen wurden diskutiert. Dort hab ich auch dann meine ersten 3 Kongressabgeordneten kennengelernt: Donald Payne, Michael Capuano und James McGovern (alles Demokraten). Jedenfalls eine tolle Erfahrung, solch ein Hearing mitzuorganisieren.

Sonst war das Wochenende wegen des trüben Wetters und einer Erkältungswelle eher mau: Wir waren auf dem Washingtoner Oktoberfest, das den Namen überhaupt nicht verdient hat. Keine Zelte, kein Bier, keine Stimmung. Einzige Highlights waren Gratis-BBQ, die Cheerleader der Redskins und ein ausgestellter Trabi. Sonst geht es nächstes Wochenende nach New York, Hostel und Bus sind gebucht. Dienstag hab ich frei, da werde ich wohl zur größten Shoppingmall DCs fahren.


Trabi, "Oktoberfest" - Ich trau mich gar nicht, es so zu nennen

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