Montag, 17. November 2008

Logbuch: Working for the Government

Da sich viele unter meinem Praktikum in Washington wohl wenig vorstellen können, werde ich nun einen typischen Arbeitstag von mir per Logbuch dokumentieren. Ich arbeite bei der USCIRF, einer Regierungskommission, die die Religionsfreiheit weltweit beobachtet und Handlungsanweisungen an Präsident, Außenministerin und Kongress gibt.

7:55: Der Wecker klingelt, also ab unter die Dusche und Zähne putzen. Dabei amüsiert die Gangnachbarn begrüßen, die komplett zerzaust und unter Schlafmangel leidend auch das Bad aufsuchen.

8:30: Nach ausgiebigem Frühstück (1 Apfel) werden Anzug samt Krawatte angezogen und ein letztes mal die Mails gecheckt, bevor es Richtung Tenleytown Metrostation geht.

8:50: Mit iPod im Ohr und Zeitung in der Hand fahre ich die knapp 10 Stationen der Red Line Richtung Union Station. Jeden morgen der gleiche Anblick: Zur Standardausrüstung eines jeden Berufstätigen gehört hier anscheinend jeweils ein iPod samt weißer Apple-Kopfhörer und ein Blackberry um auch aus der U-Bahn Termine planen zu können. Dazu eins der Gratiskäseblätter (Express/Examiner), die vor den Stationen verteilt werden.

9:15: 5 Minuten Fussweg ins Büro, vorher noch einen Muffin & Kaffee/Wasser kaufen. Zu meiner linken lächelt mich die Kuppel des Capitols wie jeden Morgen an – auch nach dem x-ten mal einfach noch atemberaubend.


Union Station am morgen, Unser Bürogebäude (800 North Capitol St)

9:30: Ankunft im Bürogebäude, ab durch den Securitycheck. Selbiger ist ausgefeilter als der an vielen Flughäfen in Osteuropa, mit Metalldetektor, Röntgengerät und allem was dazugehört. Dann hoch in den 7. Stock und unsere Empfangsdame Miss Debbie (die geschätzte 7 Stunden am Tag mit privaten Telefonaten verbringt) und meine Mit-Praktikantin begrüßen. Danach geh ich kurz zum Zimmer des Chefs um den Plan für heute abzusprechen – Hoppla, Chef ist heute noch nicht da. Bestimmt wieder irgendwo im State Department unterwegs.


Unser Eingang mit Bush/Cheney an der Wand und Miss Debbies Desk, mein Büro

9:45: Nach kurzem Überblick über die internen Mails und die gängigsten News-Netzwerke kommt eine Mail vom Blackberry des Chefs: “Come to the [Capitol] Hill ASAP (as soon as possible), bring the reports and business cards”

10:05: Nach 20 Minuten Laufstrecke (wieso zahlt mir eigentlich keiner ein Taxi?) Ankunft am Rayburn Office Building, wo die Kongressabgeordneten ihre Büros haben. Kurzer Anruf beim Chef – Aha, er ist also bei einem Kongresshearing über die Situation von religiösen Minderheiten in Bahrain. Also Raum gesucht, rein und unauffällig am Kamerateam vorbei unter die Zuhörer gemischt. Obwohl Bahrain als Vorreiter in Sachen demokratischer Reformen gilt, so fühlt sich die schiitische Mehrheit immernoch diskriminiert durch die herrschende sunnitische Minderheit.

11:00: Das Hearing ist vorbei und das allgemeine Netzwerken (Visitenkartentausch, wie damals mit den Panini-Fußballbildern) geht los. Ich hefte mich an die Fersen meines Chefs und spreche kurz mit den Rednern, darunter Botschafter und Regierungsmitglieder aus Bahrain. Dann stellt mich mein Chef einem langjährigen Kollegen aus dem State Department (Aaron) vor. Mit dem gehen wir dann Kaffeetrinken in der (übrigens öffentlichen und sehr guten) Cafeteria des Regierungsgebäudes.

12:00: Aaron erzählt, dass er – wie viele seiner Kollegen – schon vor der Wahl beschlossen hat seinen Job zu wechseln, da unter beiden Präsidentschaftskandidaten Neustrukturierungen kommen würden.

12:15: Nachdem wir uns von Aaron verabschiedet haben, gehts zum Haus meines Chefs hinter dem Capitol. Dort steht sein schwarzer Jeep, mit dem er uns wieder zum Büro bringt.

12:50: Mittagspause – das heißt auf zu Subway und essen. Übrigens: In den USA werden keine Stechkarten oder Ähnliches benutzt, um die Arbeitszeit der Angestellten zu kontrollieren – scheint aber trotzdem zu funktionieren. Ich laufe ans Capitol, um stilecht dort auf einer Bank mein Sandwich zu genießen. Wie schon gesagt, der Anblick des Capitols wird nie langweilig.


Blick aufs Capitol in der Pause, Mittagessen

13:30: Zurück ins Büro, wieder durch den Sicherheitscheck. In dieser Stadt scheint wirklich jedes Gebäude seinen eigenen Wachdienst zu haben.

13:45: Kurzer Plausch mit dem Executive Director der Kommission über meinen iPod – welche Musik meine Generation denn so hören würde möchte er wissen. Leider muss ich ihn enttäuschen, da ich größtenteils die Musik seiner Generation auf meinem iPod habe. Nach kurzer Diskussion über alte Konzerte von The Who und Led Zeppelin gehts wieder zurück zur Arbeit.

14:15: Mein Chef braucht sogenannte Factsheets für eine Besprechung am Nachmittag: Factsheets sind Kurzinformationen über Abgeordnete und Senatoren, auf denen neben vielen anderen Infos ihre vorgeschlagenen Gesetze samt Abstimmungsverhalten zusammengefasst sind. In Besprechungen mit den jeweiligen Abgeordneten braucht er möglichst alle Infos auf einen Blick, um über seinen Gegenüber rundum informiert zu sein. Also mache ich mich an die Recherche über Senatorin Hillary Clinton.

14:42: Pinkelpause: Da man es mit Sicherheit ja nicht übertreiben kann ist sogar die Tür zur Toilette mit einem Zahlencode gesichert. Im Stile eines Atombomben-deaktivierenden MacGyver tippe ich den Code ein und darf passieren. Selbstverständlich ist auch die Tür zurück ins Büro auf diese Weise gesichert, allerdings mit einem anderen Code. Besonders bei der Toilettentür könnte das ganze jedoch unangenehm werden, wenn das dringende Geschäft durch einen eventuell vergessenen Code verhindert wird…


Zahlenschloss mit Geheimcode an der Toilette

15:17: Chef braucht Kopien eines Gesetzesvorschlags. Absender: Senator Barack Obama aus Illinois, besser bekannt als der kommende Präsident. Hat jedenfalls schonmal eine schöne Unterschrift.

15:30: Factsheet Clinton ist fertig, also der perfekte Zeitpunkt für einen Blick auf den Ticker der 2.Bundesliga – Montagsspiel FCK gegen Rostock. 2:0, Tore jeweils durch Lakic – Traumhaft!

15:35: E-Mail vom Chef: Ich soll recherchieren, was mit den Senatssitzen von Obama und Biden passiert, wenn sie ihr Amt als Präsident und Vize antreten.

15:39: 3:0 Jendrisek! Nach der letzten Horrorsaison scheints wieder aufwärts zu gehen, dank Stefan Kuntz und Milan Sasic.

16:00: Einer der Commissioner, Don Argue, kommt ins Büro zu einer Besprechung. Argue wurde vom Senate Majority Leader in die Kommission berufen und ist gleichzeitig Kanzler der Northwest University. Außerdem ist er Vertrauter von Ex-Präsident Clinton und seiner damaligen Außenministerin Albright. Mein Chef stellt uns netterweise gleich gegenseitig vor.

16:04: 5:0 inzwischen, Doppelpack von Josh Simpson…und Robles hält einen Foulelfmeter.

16:41: Ich telefoniere meinen Weg durch alle möglichen Senatorenbüros um unsere Kontaktdatenbank auf dem neuesten Stand zu halten. Besonders vor und nach Wahlen herrscht naturgemäß eine hohe Personalfluktuation, sodass dieser Aspekt einiges an Zeit wegnimmt.

17:05: Spielschluss in Lautern, 6:0 Schützenfest gegen Rostock. Je zweimal Lakic, Simpson, Jendrisek – Hammer!

17:20: Auch hier ist langsam Schluss, ich gehe nochmal kurz zum Chef und verabschiede mich bei Miss Debbie. Kurz noch ein Gespräch über die gestrigen Footballspiele und das nächste Match der Redskins mit Mike, dem IT-Spezialisten - dann gehts mit dem Aufzug runter.

17:31: Ich laufe Richtung Capitol zur Metrostation, höre dabei stilecht den Command & Conquer Soundtrack (“We’re going to have to act – if we wanna live in a different world”) und schaue nochmal kurz in den Redskins-Fanshop an der Union Station. Danach gehts mit dem Strom Pendler zusammen in die Metro Richtung Tenleytown.


Union Station von Innen

18:01: Müde und hungrig komme ich in meinem Zimmer an - am Ende eines weiteren Arbeitstags in der politischen Welthauptstadt Washington DC.

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